Welche Funktion hat eine Abmahnung?

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt in der Regel eine vorherige Abmahnung voraus. Eine Abmahnung ist nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht erwartet werden kann oder eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt. Die Abmahnung hat drei Funktionen zu erfüllen:

Dokumentationsfunktion

Aus dem Text der Abmahnung ergibt sich die Beschreibung eines  konkreten Sachverhaltes, der aus der Sicht des Arbeitgebers ein vertragswidriges und deshalb kündigungsrelevantes Verhalten des Arbeitnehmers darstellt.

Hinweisfunktion

Der Arbeitgeber bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass er das beanstandete Verhalten als vertragswidrig ansieht. Unterschiedliche Bewertungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die vertraglich geschuldete Leistungserbringung sollen damit vorgebeugt und klar gestellt werden.

Warnfunktion

Der Arbeitnehmer wird deutlich darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen muss, was beispielsweise im Fußball- oder Handballsport als gelbe Karte bezeichnet wird,  und zwar im Gegensatz zur roten Karte (Kündigung).

Ist die Abmahnung Voraussetzung einer späteren Kündigung?

In Kündigungsschutzprozessen scheitern verhaltensbedingte Kündigungen häufig daran, dass eine Abmahnung nicht vorausgegangen ist oder die Abmahnung dem Erfordernis der Warnfunktion nicht gerecht wird.

Mit der Abmahnung ist eine möglichst genaue Darlegung der dem Arbeitnehmer zur Last gelegten Pflichtverletzung zu verbinden. Der konkrete Vorwurf muss sich im Einzelnen genau aus der Abmahnung ergeben (Zeitpunkt, Ort, beanstandetes Verhalten). Soll die Abmahnung einer Kündigung vorausgehen, wenn das beanstandete Verhalten nicht geändert wird, ist es erforderlich, die Abmahnung mit dem Hinweis auf die Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses bei künftigen, gleichartigen Vertragsverletzungen zu verbinden (Warnfunktion).

Ist es zulässig, eine Abmahnung und eine Kündigung auf den gleichen Vorfall zu stützen?

Nein, durch den Ausspruch der Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber in Bezug auf das abgemahnte Verhalten auf die Ausübung eines Kündigungsrechtes; er kann eine spätere Kündigung nicht allein auf die der Abmahnung zugrunde liegenden Umstände stützen. Auf diese Umstände kann unterstützend zurückgegriffen werden, wenn weitere kündigungsrelevante Umstände eintreten oder nachträglich bekannt geworden sind.

Ist eine mündliche Abmahnung zulässig?

Im Gegensatz zur Kündigung/Aufhebungsvertrag (Schriftform erforderlich) kann eine Abmahnung mündlich erteilt werden. Da der Arbeitgeber die zur Kündigung führenden Gründe im Einzelnen zu beweisen hat, muss der Arbeitgeber alle inhaltlichen Anforderungen einer mündlich ausgesprochenen Abmahnung beweisen. Deshalb wird die Abmahnung i. d. R. schriftlich ausgeprochen.

Wie viele Abmahnungen sind erforderlich?

Immer wieder stellt sich die Frage, wie viele Abmahnungen einer Kündigung vorauszugehen haben, um eine Kündigung mit Erfolg durchsetzen zu können. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles und der Schwere der Pflichtverletzung ab.

Der Zweck einer  Kündigung ist nicht etwa die Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, die Kündigung dient vielmehr der Vermeidung des Risikos weiterer (erheblicher) Pflichtverletzungen. Es geht also um die Verwirklichung der Vertragspflichten in der Zukunft. Wenn die Einhaltung der Vertragspflichten in der Zukunft nicht mehr erwartet werden kann, ist die einseitige Lösung vom Vertrag gerechtfertigt. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in der Zukunft belastend auswirken, es muss also eine negative Prognose bestehen. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und aus der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Die Abmahnung dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.

Bei einer einfach gelagerten Pflichtverletzung sind deshalb in der Regel mehrere Abmahnungen erforderlich, andererseits kann in schwerer gelagerten Pflichtverletzungen eine Abmahnung ausreichend sein.

Muss ich eine Abmahnung hinnehmen, kann oder sollte ich der Abmahnung widersprechen oder kann ich sogar die Beseitigung der Abmahnung aus den Personalakten verlangen?

Für den Arbeitnehmer stellt sich die Frage, wie er sich nach Zugang einer Abmahnung zu verhalten hat. Diese Frage hängt von einer Reihe von Faktoren ab und kann nicht generell beantworten werden.

Halten Sie die gegen Sie ausgesprochene Abmahnung für unberechtigt, kommen folgende Möglichkeiten in Betracht, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden sollten. Sie sollten berücksichtigen, dass Sie bei Ihrem Arbeitgeber nicht auf „Gegenliebe“ stoßen werden. Voraussichtlich wird der Arbeitgeber auf den „Protest“ empfindlich reagieren. Unter Umständen riskieren Sie eine spätere Kündigung und gefährden damit den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Ist die Warn- bzw. Hinweisfunktion eingehalten?

Zuerst sollten Sie sorgfältig prüfen, ob die ausgesprochene Abmahnung die  Voraussetzungen (Hinweis- und Warnfunktion) einhält. In einem späteren Kündigungsschutzverfahren ist die vorangegangene Abmahnung darauf zu überprüfen. Stellt sich heraus, dass die Voraussetzungen nicht eingehalten sind, fehlt es für die ausgesprochene Kündigung an einer vorangegangenen Abmahnung. Der Abmahnung kommt eine Beweisfunktion nicht zu, d. h. die Abmahnung erbringt in einem späteren Kündigungsschutzprozess keinen Beweis dafür, dass sich die in der Abmahnung genannten Umstände tatsächlich so zugetragen haben, wie mit der Abmahnung zum Ausdruck gebracht wurden.

Ein „Protest“ kann kontraindiziert sein. Wenn Sie den Arbeitgeber darauf verweisen, formale Gesichtspunkte nicht hinreichend beachtet zu haben, riskieren Sie bei nächster Gelegenheit eine weitere Abmahnung. Haben Sie den Arbeitgeber aus rechtlichen, jedoch nicht aus tatsächlichen Gründen „überzeugt“, werden die Formalien bei dieser Abmahnung gewahrt sein.

Sind die formellen Voraussetzungen eingehalten und ist der Vorwurf inhaltlich nicht vollständig "von der Hand zu weisen"?

Hält die Abmahnung die formalen Voraussetzungen ein und ist der in der Abmahnung enthaltene Vorwurf bei umfassender Prüfung berechtigt, ist ein Vorgehen gegen die Abmahnung nicht empfehlenswert. Vielmehr sollten Sie versuchen, die von dem Arbeitgeber gestellten Anforderungen - soweit möglich - zu erfüllen und eigene Bedenken zurück zu stellen.

Sind die formellen Voraussetzungen eingehalten und der Vorwurf inhaltlich unbegründet?

Wird die Abmahnung auf unzutreffende Tatsachen gestützt, ist zunächst zu bedenken, dass der Arbeitgeber die der Abmahnung zugrunde liegenden Umstände in einem späteren Kündigungsschutzprozess zu beweisen hat. Deshalb gehen Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten nicht zu Ihren Lasten. Vorsorglich könnten Sie versuchen, schriftliche Zeugenaussagen festzuhalten, die den tatsächlichen Geschehensablauf dokumentieren. Die Zeugenaussagen sollten von den Zeugen persönlich unterschrieben werden. In einem späteren Verfahren können Sie sich gegenbeweislich auf die von Ihnen genannten Zeugen berufen.

Kann ich den Arbeitgeber auffordern, die Abmahnung aus den Personalakten zu entfernen, und kann ich diesen Anspruch gerichtlich durchsetzen?

Erst wenn Ihre Überlegung und die sorgfältige Abwägung dazu führen, das Sie die Abmahnung für absolut unbegründet, unter Umständen sogar als schikanös empfinden, sollte daran gedacht werden, den Arbeitgeber aufzufordern, die Abmahnung aus den Personalakten zu entfernen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, kann bei dem zuständigen Arbeitsgericht eine Klage auf  Rücknahme der Abmahnung und Entfernung der Abmahnung aus den Personalakten erhoben werden, weil die unzutreffende Abmahnung und die Aufbewahrung in der Personalakte Ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) verletzt. Der Anspruch ist in diesem Fall in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB begründet.

Wie kann ich meine Rechte durchsetzen, wenn ich mir die Kosten einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung nicht leisten kann?

Sofern Sie nur über geringe Einkünfte verfügen, besteht für Sie die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Die Prozesskostenhilfe bewirkt, dass Sie keine Gerichtskosten einzuzahlen haben und die Vergütung Ihres Rechtsanwaltes aus der Staatskasse entrichtet wird. Wir sind gern bereit, Sie bei Ausfüllung der Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu unterstützen.

Für die Beratung oder außergerichtliche Geltendmachung (z. B. Auskunftserteilung) kommt in Schleswig-Holstein Beratungshilfe in Betracht. Beratungshilfe erhalten Sie bei dem Amtsgericht unter Darlegung Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Das Amtsgericht stellt Ihnen sodann einen Berechtigungsschein aus, mit dem Sie einen Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin Ihrer Wahl aufsuchen können.

Die dafür vorgesehenen Antragsformulare finden Sie auf unsere Homepage mit Erläuterungen und können hier online ausgefüllt werden.

Sofern Fragen bestehen, senden Sie uns gern unverbindlich eine Nachricht.

info@kanzlei-glinde.de

Sie errreichen uns in den üblichen Bürozeiten. Geben Sie uns dazu bitte Ihre vollständigen, personenbezogen Daten auf und hinterlassen Sie uns eine Telefonnummer, unter der wir Sie gegebenenfalls vertrauensvoll zurückrufen können.