Zeugnis

Bis zum 31.12.2002 war der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis für kaufmännische Angestellte in § 73 HGB (Handelsgesetzbuch), für gewerbliche Arbeitnehmer in § 103 GewO (Gewerbeordnung) und für andere Arbeitnehmer in § 630  BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Seit dem 1.1.2003 ist die maßgebliche Rechtsgrundlage für alle Arbeitnehmer nunmehr § 109 GewO. Dieser lautet wie folgt:

§ 109 GewO (Zeugnis)

(1)  Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen,  dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im  Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

Einfaches Zeugnis (Arbeitsbescheinigung)

Gem. § 109 GewO kann der Arbeitnehmer ein einfaches Zeugnis über Art und Dauer seines Arbeitsverhältnisses verlangen. Das Zeugnis gibt Auskunft über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses. Dem Arbeitnehmer soll für sein berufliches Weiterkommen ein lückenloser Nachweis über seine bisherige Tätigkeit und sein fachliches Können ermöglicht werden.  Auch ein einfaches Zeugnis soll enthalten:

  • erschöpfende Angaben über die Art der Tätigkeit, 
  • detaillierte Angabe der ausgeübten Tätigkeit,
  • Angaben zu besonderen Qualifikationen oder spezialisierten Tätigkeiten,
  • Dauer der Beschäftigung, einschließlich Eintrittsdatum und Beendigungsdatum,
  • erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten (Wahrheitspflicht), nur wenn diese z.B. mehr als die Hälfte der zurückgelegten Gesamtbeschäftigungszeit ausgemacht hat.

Die gebräuchliche Gliederung eines qualifizierten Zeugnisses

Der Arbeitgeber hat nicht nur die Zeugnissprache, sondern auch die gebräuchliche Gliederung eines qualifizierten Zeugnisses zu beachten, denn diese haben sich inzwischen weitgehend standardisiert, z.B der Aufbau des Zeugnisses:

  • Firmenbogen (Briefkopf/Angaben zum Arbeitgeber),
  • Überschrift (Schluss- oder Zwischenzeugnis),
  • Eingangsformel (Personalien des Arbeitnehmers,
  • Dauer des Arbeitsverhältnisses (Vordienst- oder Ausbildungszeiten/ggf. Dauer von Unterbrechungen),
  • Aufgabenbeschreibung (Unternehmensbereich/Branche/Aufgabengebiet/Art der Tätigkeit/Berufsbild und berufliche Entwicklung),
  • Leistungsbeurteilung (Arbeitsbefähigung/Arbeitsbereitschaft/Erfolg bzw. Erwartungen des ArbG; herausragende Erfolge oder Ergebnisse, Zusammenfassung),
  • Führungsleistung (bei Vorgesetzten),
  • Verhaltensbeurteilung,
  • Beendigungsmodalitäten (Schlusszeugnis, Zwischenzeugnis),
  • Schlussformel,
  • Aussteller (Ort, Datum, Unterschrift).

 
Für ein qualifiziertes Zeugnis sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Aufgaben bzw. Tätigkeitsbeschreibung

Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unwesentliches darf verschwiegen werden, nicht aber Arbeitsaufgaben, die ein Urteil über die Kenntnisse und die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erlauben; die Angabe der Berufsbezeichnung erfüllt diese Anforderungen nicht.

Kompetenz und Verantwortung

Die Angabe etwaiger Vollmachten erlaubt Rückschlüsse auf die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb: z. B. Generalvollmacht, Handlungsvollmacht oder Prokura.

Wahrheitspflicht, Wohlwollen, Vollständigkeitspflicht

Bei der Bewertung der Tragweite eines Zeugnisses gilt, dass dieses wahr sein muss, auch wenn es von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein muss und das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschweren darf, vgl. BAG BB 1970, 1395. Das Zeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung  von Bedeutung sind; einmalige Vorfälle, die nicht charakteristisch sind, können (positiv oder negativ) nicht verallgemeinert werden. Erstreckt sich das Zeugnis auf Verlangen auch auf Führung und Leistung,  muss der Arbeitnehmer mit negativen Aussagen rechnen. Eine Rücksichtnahmepflicht auf das weitere Fortkommen gilt nicht grenzenlos, wenn z.B. das Verschweigen bestimmter Umstände in erheblichem Maße als unrichtig erscheinen würde.  

Beurteilung der Leistung

  • sehr gut (stets - jederzeit, immer - zu unserer vollsten Zufriedenheit
  • gut (stets zu unserer vollen Zufriedenheit)
  • befriedigend (stets zu unserer Zufriedenheit)
  • ausreichend(im Großen und Ganzen  zu unserer Zufriedenheit
  • mangelhafte Leistung (der Arbeitnehmer hat sich bemüht)

Beurteilung der Arbeitsweise

  • sehr gut ( Erledigung der Aufgaben mit äußerster Sorgfalt und großer Genauigkeit)
  • gut (mit großer Sorgfalt und Genauigkeit)
  • befriedigend (mit Sorgfalt und Genauigkeit)
  • ausreichend bis mangelhaft (Formulierungen unterhalb der Bescheinigung mit großer Sorgfalt und Genauigkeit)

Beurteilung des Verhaltens

  • sehr gut (sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets einwandfrei)
  • gut (sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war einwandfrei)
  • befriedigend (sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war gut)
  • ausreichend (sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war befriedigend)

Der Arbeitgeber hat bei der Beurteilung einen weitgehenden Beurteilungs-spielraum  (BAG BB 1972, 618; LAG Frankfurt BB 1987, 2370), ob der Arbeitnehmer den an ihn  gestellten Anforderungen gerecht geworden ist und wie sich die Leistungen während der Vertragsdauer entwickelt haben.

Krankheitsbedingte Fehlzeiten

Eine Krankheit darf grundsätzlich in einem Zeugnis nicht erwähnt werden, es sei denn sie ist für die Gesamtbeurteilung der Führung oder der Leistungsfähigkeit von Bedeutung,  z.B. wenn  Drogenmissbrauch   Alkoholkonsum entsprechenden Einfluss auf Führung oder Leistung des Arbeitnehmers gehabt haben oder wenn sie erheblich war, z. B. die Hälfte der gesamten Beschäftigungszeit ausgemacht hat.

Ehrlichkeit

Sofern Angaben verkehrsüblich erwartet werden, dürfen sie nicht ohne triftigen Grund weggelassen werden. Fehlt in einem Zeugnis eine Bemerkung über die Ehrlichkeit, kann darin „beredtes Schweigen“ liegen, das den Argwohn des unbefangenen Lesers weckt, der neben den aufgezählten Eigenschaften fleißig, zuverlässig und strebsam auch die Eigenschaft „ehrlich“ erwarten darf, z.B. für bestimmte Berufsgruppen: Kassierer, Verkäufer, Sekretärinnen, Reinigungskräfte.

Pünktlichkeit

Bei der Beurteilung eines Zeugnisses kommt es aber allein auf den objektiven Aussagegehalt an. Der Arbeitnehmer kann mit einer Zeugnisberichtigungsklage nicht vom Arbeitgeber verlangen, wenn er dem Mitarbeiter (kaufm. Angestellter) bescheinigt, er sei ehrlich, zuverlässig und pünktlich gewesen, das Wort "pünktlich“ im Zeugnis zu entfernen. Das Wort „Pünktlichkeit“ bedeutet ohne Hinzukommen weiterer einschlägiger Formulierungen keineswegs eine Überpünktlichkeit i. S. einer negativen Aussage, ArbG Bayreuth NZA 1992, 799.

Strafverfahren

Sofern ein öffentliches Interesse besteht, können hierzu Angaben auch in einem Zeugnis erfolgen: sittliche Verfehlung eines Erziehers.

Privatangelegenheit

Reine Privatangelegenheit, die den dienstlichen Bereich nicht betreffen und sich am Arbeitsplatz nicht ausgewirkt haben, gehören nicht in das Zeugnis. Das Zeugnis wäre allerdings unwahr, wenn ein Berufskraftfahrer das Kraftfahrzeug im fahruntüchtigen Zustand benutzt hat und strafrechtlich verurteilt wurde, vgl. BAG DB 1986, 1340. Im Dienst begangene Straftaten dürfen mitgeteilt werden.

Schlussformel

Ob eine Schlussformel nur als Akt der Höflichkeit oder Gefühlsäußerung gesehen werden und deshalb vom Arbeitnehmer nicht gerichtlich erzwungen werden kann, wird nicht immer einheitlich beurteilt. Das Bundesarbeitsgericht hatte in einer Entscheidung vom 20.02.2001 (AP Nr. 26 zu § 630 BGB) entschieden, dass ein Anspruch des Arbeitnehmers nicht besteht. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis sei ein Dank für gute Zusammenarbeit und gute Wünsche für die Zukunft eine Aussage über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers, ohne dass eine rechtliche Grundlage bestünde. Wenn ein Zeugnis ohne abschließende Formeln, die in der Praxis allerdings üblich seien, als negativ beurteilt werde, müsse dies hingenommen werden. In der Instanzrechtsprechung wird diese Frage bisweilen gegenteilig beschieden. Insbesondere wenn der Gesamtzusammenhang Grund zur Beanstandung gibt: z. B. trotz sehr guter Leistungsbeurteilungen kann das Fehlen von Dank- und Zukunftswünschen  das gesamte Arbeitszeugnis unglaubwürdig erscheinen lassen.

Das LAG Düsseldorf 21.05.2008, 12 Sa 505/08 hat diese Auffassung im Unkehrschluss bestätigt. Danach sind Arbeitgeber zumindest dann nicht verpflichtet einem Arbeitnehmer im Arbeitszeugnis für die gute Zusammenarbeit zu danken und für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute zu wünschen, wenn dem Arbeitnehmer eine nur durchschnittliche Leistungs- und Verhaltensbeurteilung zustehe. Der Arbeitnehmer könne in diesem Fall allenfalls eine bewertungsneutrale Schlussformulierung verlangen, etwa derart, dass der Arbeitgeber ihm für den künftigen Berufsweg alles Gute wünscht. Damit trägt das Landesarbeitsgericht dem vorstehenden "Entwertungsgedanken" hinreichend Rechnung. Es kommt weiterhin auf die gesamte Umstände des Einzelfalles an.

Beendigungsgrund

Der Beendigungsgrund soll eine Antwort zu der Frage geben, warum eine Vertragspartei gekündigt hat. Jedoch ist der Umstand, ob das Arbeitsverhältnis 
mit oder ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet wurde, kein Beendigungsgrund in diesem Sinne, sondern stellt die Beendigungsmodalitäten dar. Die Formulierung, das Arbeitsverhältnis endete „durch fristlose arbeitgeberseitige Kündigung“ ist im Zeugnistext nicht anzuerkennen, auch wenn es objektiv den Tatsachen entsprach, vgl. LAG Düsseldorf, ARSt 1988 Nr. 129. Allerdings ergibt sich i. d. R. aus dem konkreten Beendigungsdatum (unter Berücksichtigung der bekannten Kündigungsfristen), dass eine fristlose Kündigung zugrunde lag.

Zeugnissprache als Geheimsprache

Nachfolgend einige von Arbeitgebern verwendete Formulierungen, um positive oder negative Informationen zu vermitteln, die einem arglosen Arbeitnehmer nicht sogleich auffallen bzw.auffallen sollen, z.B.:

  • "…hat sich sich engagiert für Arbeitnehmerinteressen eingesetzt…"
     (war aktives Gewerkschaftsmitglied oder sogar streitbarer Betriebsrat)
  • "..machte häufig Vorschläge zu Arbeitserleichterungen…" (zeigt keinen ausreichenden Ehrgeiz, war jedenfalls nicht besonders fleißig)
  • "…war sehr tüchtig und in der Lage, seine eigene Meinung zu vertreten…" (Arbeitnehmer hatte eine hohe Meinung von sich, verträgt keine Kritik)
  • "…verfügt über Fachwissen und hat ein gesundes Selbstvertrauen…"
    (Arbeitnehmer ist ein Sprücheklopfer und verfügt gewiss nicht über besonderes Fachwissen)
  • "…machte häufig Vorschläge zu Arbeitserleichterungen, wodurch 
    Produktionskosten eingespart wurden…" (positive Wendung durch Zusatz, dass sich der Vorschlag betriebswirtschaftlich  positiv auswirkte)
  • "…war immer für einen Verbesserungsvorschlag gut…" (ohne weitere Beschreibung besteht die Besorgnis: Besserwisser oder Querulant)
  • "…war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen…" (schwieriger Zeitgenosse, Eigenbrötler, Wichtigtuer)
  • "…war ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter…"
    Nörgler, eigensüchtig und  pocht anderen gegenüber auf seine Rechte
  • "…hat stets zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen…" und/oder "…trug  im Übrigen zur Belustigung der Belegschaft bei…" (wegen seiner Geselligkeit bei der Belegschaft beliebt, aber auch Alkoholiker  oder tratscht viel, arbeitet wenig)
  • "…bewies viel Einfühlungsvermögen in die Probleme anderer Mitarbeiter…" (auf Sexualkontakte mit Kollegen ausgerichtet)
  • "…war stets pünktlich…" (es konnte nichts besseres berichtet werden, ohne weiteren Zusammenhang; immer  pünktlich, aber nicht empfehlenswert)
  • "…toleranter Mitarbeiter…" (schwerer Brocken)
  • "…bedauert den Weggang…"  (grundsätzlich ernstgemeint, es ist allerdings auf Sarkasmus zu achten)
  • "…führte die Akten sehr sorgfältig…" (eine unwichtige Aussage wird vor der wichtigen Aussage genannt, z.B. wird der Anwaltssekretärin bescheinigt, dass sie Akten sehr sorgfältig führt -Selbstverständlichkeit!-, führt zur Abwertung, da zwar wichtig, aber nicht von ausschlaggebender Bedeutung)
  • "…war nicht zu beanstanden…" (doppelte Verneinungen oder Verneinen von Abwertungen führen nicht automatisch zu positiven Aussagen)
  • "…ihm wurde gezeigt…"  (sich wiederholender passiver Satzbau deutet auf einen unselbstständigen  Mitarbeiter hin)
  • "…er zeigte für seine Arbeit Verständnis…" (ungenügende Leistung, schlechter geht es nicht)

Fälligkeit

Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses besteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein fristgerecht entlassener Arbeitnehmer hat spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist oder bei seinem tatsächlichen Ausscheiden Anspruch auf ein Endzeugnis über Führung und Leistung. Dies gilt auch, wenn die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess über die Rechtmäßigkeit der Kündigung streiten (BAG AP Nr. 16 zu § 630 BGB). Der Anspruch setzt, soweit nicht ein Ausbildungsverhältnis zugrunde liegt, die Geltendmachung voraus. Nur für Ausbildungsverhältnisse ist das Zeugnis unaufgefordert auszustellen. Im Fall des Verzuges können sich Schadensersatzpflichten (Verdienstausfall) ergeben, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass es ihm anderenfalls gelungen wäre, einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen. Im Fall der Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses ist Vorsicht geboten, da § 8 BBiG (Berufsbildungsgesetz) auch als Schutzgesetz i.S.d.§ 823 BGB verstanden werden könnte.

Zwischenzeugnis

Nach der Rechtsprechung (BAG NZA 1993, 1031) besteht ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses bei Bewerbungen für eine neue Stelle, zur Vorlage bei Behörden, Gerichten, bei Stellung eines Kreditantrages, schließlich bei strukturellen Änderungen innerhalb des Betriebsgefüges (Betriebsübernahme, Insolvenz) und bei bevorstehenden persönlichen Veränderungen des Arbeitnehmers (Versetzung, Fort- und Weiterbildung oder längeren Arbeitsunterbrechungen wie z. B. durch Wehrdienst). Dies gilt auch für den Fall des Ausscheidens eines Vorgesetzten (BAG NZA 1999, 894).

Verwirkung

Die Verwirkung ist ein Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben ( § 242 BGB) unzulässigen Rechtsausübung. Ein Recht ist verwirkt, wenn es illoyal verspätet geltend gemacht wird. Die Verwirkung dient dem Bedürfnis der Rechtsklarheit. Sie hat aber nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber ein Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat, von seiner Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Es müssen zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Die bloße Untätigkeit eines Berechtigten während eines Zeitraumes, der zur Verjährung nicht ausreicht, führt niemals zum  Erlöschen des Anspruchs. Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses unterliegt wie alle schuldrechtlichen Ansprüche der Verwirkung, BAG AP Nr. 8 zu § 630 BGB. Der Arbeitnehmer (Gläubiger) muss also seinen  Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisse längere Zeit nicht ausgeübt und dadurch beim Arbeitgeber die Überzeugung hervorgerufen haben, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen.

Der Arbeitgeber (Schuldner) muss sich darauf eingerichtet haben, ihm muss die Erfüllung des Anspruchs nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht mehr zuzumuten sein. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalles und kann nicht generalisierend für alle Arbeitsverhältnisse und Umstände im Voraus beurteilt werden. Verfolgt ein anwaltlich vertretenen Arbeitnehmer den geltend gemachten Zeugnisberichtigungsanspruch trotz Fristsetzung und Klageandrohung  innerhalb eines Zeitraumes von 10 Monaten nicht weiter, kann der Anspruch verwirkt und damit ausgeschlossen sein, wenn die Berichtigung z. B. dreimal angemahnt wurde und sich die Gegenseite nicht geäußert hat, vgl. BAGE 57, 329.

Ausschlussfristen

Grundsätzlich ist der Zeugnisanspruch unabdingbar, d. h., er kann nicht von vornherein für die Zukunft ausgeschlossen oder erlassen werden. Allerdings sind Ausschlussfristen zu beachten. In Formulararbeitsverträgen lässt das BAG nach neuerer Rechtsprechung  Ausschlussfristen von drei Monaten zu, vgl. BAG NZA 2005, 1111. Kürzere Tarifvertragliche Ausschlussklauseln sind zulässig, vgl. BAG NJW 2006, 2427, 2429.  Der Inhalt der Ausschlussklausel ist genau zu prüfen, i. d. R. genügt zur Wahrung der Ausschlussfrist die rechtzeitige Beanstandung des erhaltenen Zeugnisses, vgl. BAG NJW 2006, 2427, 2429.

Berichtungsanspruch, (Darlegungs- und Beweislast)

Der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch auf Berichtigung der Leistungsbeurteilung konkret geltend machen. Vereinfacht dargestellt hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine zumindest durchschnittliche Bewertung. Erstrebt er eine bessere Bewertung, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, sofern der Arbeitgeber mit Substanz die Umstände dargelegt hat, die ihn zu seiner Beurteilung veranlasst haben. Das Arbeitsgericht Berlin hat in einer Entscheidung vom 26.10.2012 (28 Ca 18230/11) entschieden, dass ein Arbeitgeber für schlechtere als „gute“ Leistungen die Beweislast tragen. Verlangt der Arbeitnehmer, dass seine Leistung im Zeugnis mit "gut" anstatt mit "befriedigend" bewertet wird, so muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, was einer "guten" Bewertung entgegensteht. Das Arbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des BAG zwar der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine überdurchschnittliche Beurteilung trage. Eine "gute" Bewertung kann aber nicht (mehr) als überdurchschnittlich angesehen werden, da mittlerweile in über 85 Prozent aller Zeugnisse "gute" oder bessere Leistungen bescheinigt werden.

Sofern der Arbeitgeber eine unterdurchschnittliche Bewertung bescheinigt, hat er die dafür erforderlichen Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen; ebenso wenn er ansonsten eine weitaus bessere Leistungsbeurteilung abgegeben hat. Da Sie das Zeugnis aller Voraussicht nach ein Leben lang begleitet, sollten Sie rechtzeitig fachliche Hilfe in Anspruch nehmen. 

Schadensersatz

Ein Arbeitgeber, der schuldhaft seine Zeugnispflicht verletzt, schuldet dem Arbeitnehmer Ersatz des dadurch entstehenden Schadens. Der Schadensersatzanspruch kann sowohl wegen Schlechterfüllung wie auch wegen Schuldnerverzugs gegeben sein. In beiden Fällen setzt der Schadensersatzanspruch voraus, dass das Zeugnis nicht gehörig oder verspätet ausgestellt wurde, dass dem Arbeitnehmer ein Schaden entstanden ist und dass der eingetretene Schaden auf der schuldhaften Verletzung der Zeugnispflicht beruht Bundesarbeitsgericht, Urteil 16. November 1995 – 8 AZR 983/94

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Nichterteilung, die verspätete Erteilung oder die Erteilung eines unrichtigen Zeugnisses für einen Schaden des Arbeitnehmers ursächlich gewesen sei, liegt beim Arbeitnehmer.

Will der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch geltend, weil er wegen des fehlenden ordnungsgemäßen Zeugnisses einen Verdienstausfall erlitten habe, so muss er darlegen und ggf. beweisen, dass ein bestimmter Arbeitgeber bereit gewesen sei, ihn einzustellen, sich aber wegen des fehlenden Zeugnisses davon habe abhalten lassen.

Es gibt aber keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass allein das Fehlen eines Zeugnisses für erfolglose Bewerbungen um einen anderen Arbeitsplatz ursächlich gewesen sei. Bei typischen Geschehensabläufen kann sich ein Arbeitnehmer auf die Grundsätze des Anscheinsbeweis berufen. Gegebenenfalls muss sich der Arbeitnehmer auf das Zeugnis derjenigen Arbeitgeber berufen, bei denen er sich erfolglos beworben hat. Konnte der Arbeitnehmer z. B. nach kürzlich erfolgter Beendigung eines Arbeitsverhältnisses für eine in Aussicht genommene Bewerbung in einem Bewerbungsgespräche ausgerechnet den letzten Arbeitszeitraum mangels Vorlage eines Zeugnisses nicht dokumentieren, liegt es auf der Hand, dass der Arbeitgeber besondere Umstände vermutet, die kein günstiges Licht auf den Arbeitnehmer werfen.

Für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches sind nicht geringe Anforderungen zu überspringen. Dennoch sollte ein Arbeitgeber stets berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer den Anspruch mit Erfolg durchsetzen könnte.

Wie kann ich meine Rechte durchsetzen, wenn ich mir die Kosten einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung nicht leisten kann?

Sofern Sie nur über geringe Einkünfte verfügen, besteht für Sie die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Die Prozesskostenhilfe bewirkt, dass Sie keine Gerichtskosten einzuzahlen haben und die Vergütung Ihres Rechtsanwaltes aus der Staatskasse entrichtet wird. Wir sind gern bereit, Sie bei Ausfüllung der Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu unterstützen.

Für die Beratung oder außergerichtliche Geltendmachung (z. B. Auskunftserteilung) kommt in Schleswig-Holstein Beratungshilfe in Betracht. Beratungshilfe erhalten Sie bei dem Amtsgericht unter Darlegung Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Das Amtsgericht stellt Ihnen sodann einen Berechtigungsschein aus, mit dem Sie einen Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin Ihrer Wahl aufsuchen können.

Die dafür vorgesehenen Antragsformulare finden Sie auf unsere Homepage mit Erläuterungen und können hier online ausgefüllt werden.

Sofern Fragen bestehen, senden Sie uns gern unverbindlich eine Nachricht.

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