Was ist vor Unterzeichnung des Mietvertrages oder vor Übergabe rechtlich zu beachten?

Steht die Anmietung einer neuen Wohnung an, ergeben sich eine Reihe von Fragen, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden sollten:

  • Die Verhandlung und die Kenntnisnahme von dem wesentlichem Inhalt des Mietvertrages; wurde der Mietvertrag individuell ausgehandelt? Liegt ein individuelles Aushandeln vor, wenn einzelne Bestimmungen in den Vertrag handschriftlich eingesetzt würden? Wird ein Standardmietformular verwendet?
  • die positiver Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis von Mängeln des Mietobjektes; muss ich die Wohnung vor Abschluss des Mietvertrages eigentlich fachmännisch untersuchen lassen?

Diese Fragen sollten vor Abschluss des Mietvertrages bedacht werden. Ganz unbedacht kann eine falsche "Weichenstellung" zu nicht unerheblichen Rechtsverlusten führen.

In der Regel haben Sie die Wohnung, die Nachbarschaft und das allgemeines Umfeld "auf Herz und Nieren" geprüft. Eigene und möglicher Weise familiäre Gesichtspunkte wurden positiv bestätigt. Die vorgesehene Mietzinsverpflichtung und die in Betracht zu ziehenden Betriebskosten ist in die wirtschaftliche Kalkulation eingeflossen.

Häufig überwiegt das Interesse, den Mietvertrag so schnell wie möglich abzuschließen. Bestand in den 90er Jahren vornehmlich in Ballungsgebieten nur ein geringes Angebot, standen weitere Mieter "Schlange". Ein ausreichender Zeitraum für Mietvertragsverhandlungen verblieb regelmäßig nicht. Zwischenzeitlich hat sich die allgemeine Wohnungsmarktsituation deutlich entspannt. Dennoch ist immer wieder festzustellen, dass beachtliche Gesichtspunkte nicht entscheidend berücksichtigt wurden.

In der Regel wird ein Mietvertrag schriftlich abgeschlossen, auch wenn die Möglichkeit besteht, einen Mietvertrag nur mündlich abzuschließen. Der Abschluss eines mündlichen Vertrages ist ebenso wirksam.

Wird Ihnen ein vorbereitetes Mietvertragsformular vorgelegt, den sie sofort unterschreiben sollen, weil es sich etwa um den ganz normalen Standardmietvertrag handelt, ist Vorsicht geboten: Ein Standardmietvertrag in dieser Form existiert überhaupt nicht. Es gibt eine große Anzahl Mietvertragsformularen. Die meisten Mietverträge sind von Interessenverbänden erstellt, die Formulare werden fortlaufend geändert.

Sie sollten sich sich ausreichend Zeit lassen, den Mietvertrag in Ruhe durchzusehen. Nehmen Sie den Mietvertrag mit nach Hause, lesen Sie ihn genau durch und unterschreiben Sie den Mietvertrag erst, nachdem Sie sich über die wesentlichen Umstände im Klaren sind. Sind mündliche Zusagen erfolgt, bestehen Sie darauf, dass diese in dem Vertrag festgehalten werden. Anderenfalls könnten Überraschungen auf Sie warten.

Gewissenhafte Vermieter oder mit der Vermittlung beauftragte Makler besprechen den Inhalt des Vertrages in den einzelnen Punkten mit Ihnen. Sie erhalten Gelegenheit, individuelle Vereinbarungen in dem Vertrag festzuhalten. Sollte sich eine hiervon abweichende Situation ergeben, ist eine anwaltliche Beratung empfehlenswert.

Überwiegend werden Mietvertragsformulare (z.B. "Hamburger Mietvertrag für Wohnraum") vorgegeben. Der Mietvertrag unterliegt in diesem Falle einer Inhaltskontrolle nach dem § 307 ff. BGB, wonach bestimmte, allgemeine Geschäftsbedingungen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters führen. Darüber hinaus bestehen zahlreiche gesetzliche Vorschriften, wonach eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam ist (gesetzliches Verbot).

Auch wenn der Vermieter das Ihnen vorgelegte Formular nur in einem Einzelfall verwendet hat, kommt eine Inhaltskontrolle nach AGB-Richtlinien in Betracht. Nur wenn der Mietvertrag tatsächlich individuell ausgehandelt worden sein sollte und Sie entscheidenden Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen konnten (selten), scheidet eine Inhaltskontrolle nach AGB-Richtlinien aus. Allerdings sind auch insoweit Grenzen gezogen, die im Einzelfall genau ermittelt werden müssen.

Mit Abschluss des Mietvertrages übernehmen sollen Sie in der Regel die Wohnung in dem gegenwärtigen Zustand übernehmen. Wenn Ihnen zugesichert wurde, dass noch bestimmte Renovierungsarbeiten durchgeführt werden und diese Zusicherung nicht in dem Mietvertrag (Zusatzvereinbarung) festgehalten wurde, sind Sie der Gefahr ausgesetzt, mit Ihren Rechten ausgeschlossen werden. Das gleiche gilt im Zusammenhang mit der Übergabe der Wohnung. Wenn Sie

  • bei den Vertragsverhandlungen Kenntnis von einem Mangel hatten oder Ihnen dieser Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist,
  • oder bei Übergabe den Mangel kannten und die Wohnung vorbehaltlos abgenommen haben,

bestehen besondere Risiken, die mit anwaltlicher Hilfe vor Abschluss des Mietvertrages ausgeschlossen werden können. Auf die wesentlichen Gesichtspunkte möchte ich an dieser Stelle wie folgt hinweisen:

Sind bei Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis bei Vertragsverhandlung Mängelgewährleistungsansprüche ausgeschlossen?

Tatsächlich sind Sie mit einem wesentlichen Teil der Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen, wenn Ihnen ein Mangel bei Abschluss des Mietvertrages bekannt war oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sein sollte. In diesem Fall stehen Ihnen Mietminderungsansprüche (§ 536 BGB) und Schadensersatzansprüche (536 a BGB) nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Das gleich gilt für eine Kündigung aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 4 BGB). Das kann sich als gefährliche Falle erweisen. Zwar muss der Mieter die Wohnung  weder bei Abschluss des Mietvertrages noch bei Übergabe mit einem Sachverständigen begehen und ebensowenig obliegt dem Mieter eine allgemeine Untersuchungspflicht; waren die Mängel jedoch ohne Weiteres zu erkennen, liegt in der Regel grobe Fahrlässigkeit vor.

Wie wirkt sich Kenntnis bei Übergabe aus?

Auch die Übergabe ist mit juristischen Hürden versehen. Kommt es nach Abschluss des Mietvertrages zur Wohnungsübergabe, kann sich eine vergleichbare "rechtsvernichtende" Situation ergeben. Ist Ihnen ein bestimmter Mangel bei Übergabe bekannt, sind Sie mit den Rechten aus §§ 536 und 536 a BGB ausgeschlossen, wenn Sie sich Ihre Rechte bei der Abnahme nicht ausdrücklich vorbehalten haben. Sinnvoller Weise sollte diese dokumentiert werden, insbesondere wenn es sich um einen Erstbezug handelt.

Obwohl die in einem Formular-Mietvertrag enthaltene Klausel "Der Mieter erkennt den einwandfreien Zustand der Mietsache an" wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam ist, bleibt es bei dem gesetzlichen Haftungsausschluss bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis bei Vertragsabschluss oder Kenntnis bei Übergabe. Ob im Einzelfall Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt, muss im Streitfall unter Berücksichtigung aller Umstände ermittelt werden. Deshalb ist es dringend zu empfehlen, die konkreten Umstände in dem Mietvertrag oder später in dem Übergabeprotokoll festzuhalten.

Wann muss ich Mängel dem Vermieter anzeigen?

Sollten sich im Laufe der Mietzeit Mängel ergeben, sind Sie verpflichtet den Mangel unverzüglich anzuzeigen, was als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, da es sich um die Wahrnehmung Ihrer persönlichen Interessen handelt. Dennoch ist zu beachten, dass eine Verletzung der Anzeigepflicht zum Schadensersatz verpflichtet und zu einer eingeschränkten Haftung des Vermieters führen kann, wenn dieser nachweist, dass er nur wegen der unterlassenen Anzeige oder der nicht rechtzeitigen Anzeige eine ursprünglich mögliche Abhilfe nicht schaffen konnte.

Reagiert der Vermieter auf Ihre Mängelanzeige nicht, sollten Sie dem Vermieter einen schriftliche Aufforderung zur Durchführung der aus Ihrer Sicht erforderlichen Mängelbeseitigungsarbeiten übersenden. Die Mängel sollten nach Möglichkeit nach Lage um Umfang genau bezeichnet werden. Ihnen stehen nunmehr die Gewährleistungsrechte uneingeschränkt zu.

Habe ich als Mieter gegenüber dem bisherigen Vermieter einen Anspruch auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung?

Bisweilen verlangen Vermieter vor Unterzeichnung des Mietvertrages eine solche Bescheinigung mit dem Erkärungsgehalt, dass die Miete einschließlich vereinbarter Betriebskostenvorauszahlungen für den Mietzeitraum bezahlt worden sei und/oder dass Betriebskostenabrechnung im Vertragszeitraum nicht streitig waren.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom  30.9.2009, VIII ZR 238/08 klargestellt, dass der Mieter auf eine solche Bescheinigung keinen Anspruch hat. Danach können Mieter von einem ehemaligen Vermieter nicht verlangen, dass dieser ihnen eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ausstellt, die über eine Quittung für die erhaltenen Mietzahlungen hinausgeht. Die Abgabe einer solchen - in ihren Wirkungen unter Umständen weiter reichenden - Erklärung kann einem Vermieter schon wegen einer möglichen Gefährdung eigener Rechtspositionen nicht zugemutet werden.

Eine andere Beurteilung kann sich allerdings ergeben, wenn sich regional eine entsprechende Verkehrssitte gebildet hätte. Der Bundesgerichtshof wies das Vorbringen des Mieters mit der Begründung zurück, dass selbst ein ständiges Verlangen eines Vermieter in Dresden mit einem Bestand von 42.000 Wohnungen für die Annahme einer Verkehrssitte nicht ausreicht. Eine solche setzt vielmehr voraus, dass sich innerhalb aller beteiligten Kreise und nicht nur eines Teiles, sei er auch quantitativ erheblich, dazu eine einheitliche Praxis durchgesetzt hat.